Durch ihre Mitarbeit beim chance.natur-Projekt „Neue Hirtenwege im Pfälzerwald“ hatte Anna-Maria Marstaller die Möglichkeit, eine „Mitläuferin“ bei einem Schafzug durch den Pfälzerwald zu sein. Hier berichtet sie von ihrer bis dahin aufregendsten Interaktion mit den Tieren.
“Inmitten einer Schafherde zu stehen, ist schon ein ganz besonderes Gefühl. Man spürt die Wärme der Tiere, nimmt ihren starken Geruch ganz intensiv war und kann auch ganz schön Respekt vor der Masse der Herde bekommen. Schafe sind friedliche Tiere, wenn man sie so auf der Weide stehen sieht. Und sie sind neugierig. Aber es sind auch Fluchttiere und wenn man 400 Schafe um sich herum hat und eines erschrickt, dann wird einem das Ausmaß der Herde sehr schnell bewusst.
Es ist sehr interessant, einen Wanderschäfer mit seiner Herde in seinem „Element“ zu erleben. Christian Ruther aus Iggelbach hat die Schafe mit Hilfe seiner hervorragend ausgebildeten Hunde im Griff und gibt das Tempo gekonnt an. Gleichzeitig hat er aber auch Zeit, sich mit mir zu unterhalten und Fragen, die ich schon immer über die Wanderschäferei stellen wollte, zu beantworten. So erhalte ich einen Eindruck von seiner Arbeit und der Verantwortung, die er mit dieser übernimmt, und kann auch sehen, wie viel Freude die Wanderschäferei mit sich bringen kann.
Lange Zugzeiten über mehrere Wochen oder gar Monate gibt es schon lange nicht mehr in Deutschland. Der Vater einer an unserem Projekt beteiligten Schäferin ist noch vom Pfälzerwald bis nach Paris gezogen. Das ist aber auch schon eine ganze Weile her und heutzutage aus verschiedenen Gründen nicht mehr möglich. Die längsten Zugwege im Pfälzerwald liegen zwischen 18 und 35 km.
Zurück zum Schafzug: Die Herde bewegt sich relativ zügig voran. Im Wald selbst gibt es nicht so viel Nahrung wie auf den Wiesen im Tal. Und doch schafft es das ein oder andere Tier beim Vorbeilaufen, die Blätter eines herabhängenden Astes zu stibitzen. Läuft man ganz am Anfang der Herde mit, muss man aufpassen, dass die Tiere einem nicht gegen die Oberschenkel und Kniekehlen laufen. Auch die Hunde müssen sich erst einmal den Respekt der Schafe erarbeiten, denn wenn sie nicht aufpassen, kann es vorkommen, dass ein freches Schaf ihnen in den Schwanz zwickt. Christian Ruther kennt seine Tiere. Er kennt das Tempo, das für die Wanderung angebracht ist, und trifft den richtigen Ton, wenn es darum geht, die Hunde und auch die Schafe zurechtzuweisen.
An einer Stelle legt der Schafzug ein paar Höhenmeter zurück. Dieser Weg ist offen und man kann die Herde in ihrer ganzen Größe wahrnehmen. Die einzigen Geräusche sind das Rascheln von 1.600 Hufen auf dem Boden und die gelegentlichen „Hooopp, Hooopp“- Rufe des Schäfers. Ein einzigartiges Erlebnis.
Ist der Schafzug im Tal angekommen, so haben der Schäfer und die Herde ein wenig Zeit, sich wieder zu sammeln. Die Tiere können fressen und der Schäfer erzählt mir Geschichten, wie es bei ihm mit der Schäferei angefangen hat und wie viel sich seitdem verändert hat. Nach einer Zeit bedanke und verabschiede ich mich vom Wanderschäfer und seinen Tieren, denn mein Tag geht auf anderem Wege weiter. Die Herde wird noch bis in die Abendstunden unterwegs sein.
Auf dem Rückweg mache ich auf dem Boden die Mistkäfer aus, die sich über den Kot der Tiere hermachen. So verschwinden nach und nach die Spuren, die 400 Schafe hinterlassen.”
Mehr Infos zur Wanderschäferei und zum Projekt “Neue Hirtenwege im Pfälzerwald” gibt es unter www.hirtenwege-pfaelzerwald.de.